Antworten zum Thema Waldbaden
Wald... was? Der Begriff Waldbaden
Nein, man legt sich nicht in eine Badewanne im Wald. Und man schwimmt auch nicht in einem Waldsee. Du benötigst also keinen Badeanzug oder eine Badehose.
Was wie ein Übersetzungsfehler aus dem Japanischen „Shinrin Yoku“ anmutet ist die Annäherung an „Eintauchen in die Atmosphäre oder die Luft des Waldes“ mit nur einem Wort zu beschreiben.
Aha, in der Luft baden. Wir kommen der Sache schon näher - auch wenn es viel mehr als das ist:
Der Aufenthalt an der frischen Luft ist gesund und in der Waldluft besonders. Sie enthält biochemische Stoffe, mit der sich Pflanzen vor Schädlingen schützen und auch gegenseitig warnen. Diese Terpene aktivieren unsere Immunabwehr.
Übrigens sprechen wir nicht nur im deutschsprachigen Raum vom Waldbaden. Im Englischen entspannt man beim Forestbathing, auf Spanisch geht es zum Banjo de bosque, in den Niederlanden zum Bosbaden.
Waldbaden: Wellness oder Gesundheitsmaßnahme?
Bereits nach 20-30 Minuten im Wald stellt sich spürbare Entspannung ein und der Stress fällt allmählich von uns ab. So wirkt Waldbaden auch wie eine Notapotheke – ganz ohne Nebenwirkungen.
Ein einmaliger mehrstündiger Waldaufenthalt ist noch bis zu sieben Tage in unserem Blut nachweisbar: die Anzahl und Aktivität unserer weißen Blutkörperchen haben sich erhöht.
Daher kann man behaupten, dass Waldbaden mehr als Wellness ist. Wenn wir regelmäßig in den Wald eintauchen entfaltet sich die Wirkung nachhaltig.
Bei all den digitalen Reizen um uns herum ist das Waldbaden eine gute Möglichkeit, wieder aufzutanken: Unseren Augen schenken wir in der Natur mit der Farbe Grün Entspannung, die frische Luft erholt unsere Lungen und entspannt unseren Körper und Geist.
Die Bewegung an der frischen Luft, ergänzt um sanfte Bewegungsübungen, die unseren Körper dehnen und sanft durchbewegen, bieten einen guten Ausgleich zu unserem Verharren vor dem Bildschirm und holt uns raus aus den eigenen vier Wänden.
Es gibt Entspannung für die Ohren, da der Wald die Zivilisationsgeräusche dämpft und Naturgeräusche wiederum an unser altes Gehirn andocken und wir gut entspannen können.
Regelmäßiges Waldbaden ist neben den körperlichen Wohltaten mindestens ebenso wertvoll für unseren Geist und unsere Seele: Wir öffnen uns für die kleinen, unscheinbaren Schönheiten des Alltags.
Wir lernen zu genießen und fühlen uns mehr und mehr mit der Natur verbunden.
Diese erlernten Fähigkeiten nehmen wir mit in den Alltag, um so beispielswiese unseren Fokus, der sich meist automatisch auf das Negative lenkt, auf die positiven Dinge zu lenken und (wieder) mehr Freude zu erleben.
Wenn es uns psychisch und physisch besser geht, dann sind wir auch gegen die Widrigkeiten des (beruflichen) Alltags besser gewappnet. Waldbaden ist absichtslos und überfordert uns nicht.
Waldbaden ist eine Einladung an dich, den Alltag hinter dir zu lassen, deine Sinne zu öffnen und die Stille zu genießen. Und gleichzeitig ist Waldbaden der Booster für deine körperliche und seelische Gesundheit.
Waldbaden: neumodischer Trend?
Waldbaden begegnet uns inzwischen an den unterschiedlichsten Stellen: Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Bücher, Podcasts, Blogs.
Tatsächlich wird Waldbaden bereits seit den 1980er-Jahren erforscht – ausgehend von Japan, der Wiege des Waldbadens. Dort wurde Shinrin Yoku vom Forstministerium entwickelt, um die Stadtbevölkerung wieder mit der Natur in Verbindung zu bringen, um Stress- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterstützend zu behandeln. Japanische Ärzte verschreiben Waldbaden als Therapie.
In Deutschland wird u.a. an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der SRH Fernhochschule, Riedlingen, zur Wirkung von Wald, Waldbaden, Waldtherapie geforscht
Waldbaden = Spaziergang?
Es ist eine wertvolle Routine, sich an der frischen Luft zu bewegen. Darum allein geht es beim Waldbaden allerdings nicht:
Bewusste Langsamkeit ist eine Hauptzutat beim Waldbaden, damit wir die Natur um uns herum bewusst wahrnehmen können. Beim Waldbaden werden verschiedene Übungen gemacht, die unsere Sinne öffnen, Achtsamkeit stärken und die Entspannung fördern. Auch gehören Atemübungen dazu, die die Aufnahme der besonders gesunden Luft im Wald fördern. Dabei wechseln sich Verweilen und Bewegung ab. Sei es durch das Schlendern von Baum zu Baum und auch sanfte Bewegungsübungen, die ihren Ursprung beispielsweise im Qi Gong haben.
Wir finden besser zu uns selbst, wenn wir den Fokus auf das Hier und Jetzt richten können. Dabei hilft uns der Einsatz unserer Sinne auf das, was gerade da ist. Wir kommen im gegenwärtigen Moment an, was uns im Alltag häufig nicht gut gelingt. Wir können wieder klar denken, uns besser konzentrieren und stoppen das Gedankenkarussel.
Der Wald kann mehr sein, als die Kulisse für unseren Ausflug. So sind wir nicht in Gedanken oder Gespräche vertieft, sondern meistens in Stille und völlig im Hier und Jetzt. Damit verschaffen wir uns Raum zu erkennen, wo und wie wir gerade sind.
Muss man Bäume umarmen?
Das Bild vom „Bäume umarmen“ steht beim Waldbaden zunächst einmal für das Erleben des Baumes mit unseren Sinnen: Wie fühlt sich die Rinde an? Wie riecht ein Baum? Welche Unterschiede erlebe ich, wie ändern sich meine Körperempfindungen, wenn ich einen Baum mit den Händen, Armen, Beinen, Füßen, meinem ganzen Körper berühre?
Über die Sinneswahrnehmungen hinaus haben Bäume eine faszinierende Wirkung. Ein Baum, oft viel älter als wir es sind, steht seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten fest verwurzelt in der Erde und hatten allen Stürmen getrotzt. Das strahlt Standfestigkeit und Selbstbewusstsein aus und wirkt damit über das Erleben mit unseren Sinnen hinaus auf emotionaler und psychischer Ebene.
Beim Waldbaden tauchen wir ein in die Welt des Waldes, die uns Menschen seit Jahrtausenden als Kraft- und Energiequelle dient. Dieser intensive Kontakt mit der Natur kann daher durchaus eine spirituelle Erfahrung sein und wir können unsere angeborene Verbindung mit der Natur wieder entdecken.
Brauche ich zum Waldbaden eine:n Trainer:in?
Ja, Waldbaden kann man für sich alleine gestalten.
Aber wie war das noch mit der Achtsamkeit? Eigentlich leicht, dieses im „Hier und Jetzt“ verweilen, oder? Atmen, ganz in diesem Moment ankommen, nur wahrnehmen, was gerade ist, ohne zu bewerten…
Das Angebot an Büchern und Kursen, Trainings und Coachings zum Thema Achtsamkeit lässt anderes vermuten. Das darf aber jede:r für sich selbst beantworten.
Deine Trainerin hat den Plan für Dich schon gemacht, kennt den Wald und weiß, welche Übungen gerade jetzt gut passen. Das Vertrauen darf es dir einfacher machen, den Alltag hinter dir zu lassen. Du wirst bei deinem achtsamen Waldspaziergang sanft angeleitet und deine Kursleiterin hat ein offenes Ohr für dich, wenn es gerade mal nicht so gut gelingen will, abzuschalten.
Waldbaden geht allein und auch unter Anleitung in einer Gruppe. Du entscheidest selbst.
Die Kursleiter:innen unterstützen mit ihren Kenntnissen und ihrer Erfahrung, damit du dich voll und ganz auf die Natur einlassen kannst und ohne Umwege über den Kopf ins Spüren gelangst: raus aus dem „Denk-Modus“ ins BEWUSSTE SEIN.
Geht Waldbaden nur im Wald?
Ich lebe und arbeite in NRW, inmitten des Ballungsraums Düsseldorf und dem Ruhrgebiet. Großflächige Waldgebiete wie im Sauerland oder gar im Bayrischen Wald – die gibt es hier nicht.
Dabei habe ich noch das Glück, den Wald direkt vor meiner Haustüre zu haben.
In allen Städten finden sich Stadtparks, vielleicht sogar ein Botanischer Garten. Die Natur hält in jedem Fall positive Auswirkungen für uns bereit. Begrünung mit Bäumen führt zu weniger Stressempfinden und in deiner grünen Oase vor der Haustüre kannst du alle Übungen eines Waldbads durchführen: die Sinne einsetzen, Achtsamkeit trainieren, die Farbe „grün“ als wohltuend für die Augen aufnehmen, und vieles mehr.
Die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Waldklimas auf Immunsystem und Hormonsystem und waldtypischen Sinnesreizen gibt es allerdings nur beim Baden in der Waldatmosphäre.
Geht Waldbaden auch bei schlechtem Wetter?
Wir unterscheiden häufig in die Kategorien „gutes Wetter“ und „schlechtes Wetter“. Daran macht sich zuweilen auch fest, ob wir einen „schönen Tag“ hatten oder nicht. Unsere Aktivitäten draußen finden in aller Regel bei schönem Wetter statt.
Doch ist es für unseren Körper, unsere Sinne und die Psyche überaus reizvoll, die Umgebung zu allen Wettern und in den verschiedenen Jahreszeiten zu erleben. Mit dem Einsatz unserer Sinne das Wetter zu spüren bringt uns wieder dem natürlichen Lauf der Dinge näher und hilft uns dabei, unsere Wahrnehmung zu verfeinern: Wie sich Sonnenstrahlen auf unserer Haut anfühlen wissen wir vielleicht. Was spürst Du, wenn dir mal der Wind ins Gesicht pustet oder Regentropen von deiner Nasenspitze tropfen?
Auch die Geräusche unserer Umgebung ändern sich mit unterschiedlicher Witterung. Bei einem kräftigen Regenschauer hörst du vielleicht die Vögel nicht mehr zwitschern, dafür klopft der Regen auf das Blätterdach und tropft an der ein oder anderen Stelle hindurch und trifft mit unterschiedlichen Geräuschen auf den Untergrund im Wald. Der Wind weht hörbar durch die Baumkronen und wiegt diese hin und her.
Allerdings: Bei Unwetter, Sturm oder Gewitter ist es im Wald nicht sicher. Auch unmittelbar nach solchen Wetterereignissen gehe bitte nicht direkt wieder in den Wald: Äste können angeknackst sein und drohen herunterzufallen.
Waldbaden: brauchen wir das?
Ein klares: Ja!
Tief in den alten Teilen unseres Gehirns sind wir noch die Naturmenschen, die in und mit dem Rhythmus der Natur gelebt haben.
Uns fehlt die Natur, wenn wir zu wenig davon bekommen.
Naturdefizitsyndrom bezeichnet das Phänomen der Entfremdung von der Natur. Kühe sind lila und Enten gelb: so wird es zum Beispiel sichtbar, wenn Kinder malen.
Der Trend, in Städten zu leben, weniger Grünflächen, mehr digitaler Konsum und weniger Naturerfahrung: das ist eine Entwicklung der letzten Generationen.
Für Kinder ist Naturerfahrung besonders wichtig für die körperliche, geistige und seelische Entwicklung. Als Erwachsene können wir dieses Defizit durch Aufenthalte in der Natur wieder etwas ausgleichen.
Es gibt vielfältige Zugänge zur Natur und Waldbaden ist einer davon. Dieser ist besonders niederschwellig, da das Erleben und das im Hier und Jetzt sein im Vordergrund stehen. Es soll nicht darum gehen, Pflanzen und Tiere benennen zu können und in den Wissenswettstreit mit den anderen Teilnehmenden zu treten
Über unsere Sinne treten wir in Kontakt mit der Natur. Die kognitive Ebene darf dabei außen vor bleiben, denn im Kopf sind wir viel zu häufig. Dabei entdecken wir möglicherweise auch unsere Liebe zur Natur neu und stärken das Bewusstsein zum Schutz der Natur.